Rotatorenmanschettensyndrom

Rotatorenmanschettensyndrom (PHS, Periarthropathia humeroscapularis, Subacromialsyndrom, SAS, Engpasssyndrom der Schulter und Supraspinatussehnensyndrom, SSPS): Sammelbegriff für degenerative (verschleißbedingte) Veränderungen im Schulterbereich, die nicht das Schultergelenk selbst, sondern die umgebenden Weichteile betreffen. Die Erkrankung äußert sich in schmerzhaften Reizzuständen, Entzündungen und Einrissen. Sie betrifft v. a. den Muskelmantel (Rotatorenmanschette), den darunter liegenden Schleimbeutel und die lange Bizepssehne. Die PHS ist jenseits des 40. Lebensjahrs ein häufiger Befund und verläuft meist chronisch oder in wiederkehrenden Schüben. Die Behandlung erfolgt zunächst konservativ, bei anhaltenden Beschwerden auch operativ, z. B. durch Naht von Rissen in der Rotatorenmanschette.

Leitbeschwerden

  • Diffuse Schulterschmerzen bei bestimmten Bewegungen, meist bei Anheben, Abspreizen und Einwärtsdrehen des Arms
  • Nächtliche Schulterschmerzen, besonders beim Liegen auf der betroffenen Schulter
  • Schmerzausstrahlung in den Arm
  • Schmerzhafte Bewegungseinschränkung, v. a. beim Abspreizen des Arms zwischen 60–120° (schmerzhafter Bogen)
  • Bei Bizepssehnenreizung Schmerzverstärkung bei Beugung und Auswärtsdrehung des Unterarms
  • Bei akutem Riss in der Rotatorenmanschette plötzlicher, heftiger Schulterschmerz, etwa beim Heben einer Last oder beim Sport; anschließend schmerzhafte Bewegungseinschränkung

Wann zum Arzt

Innerhalb der nächsten Wochen, wenn mäßige, aber hartnäckige Beschwerden im Schulterbereich bestehen.

Innerhalb der nächsten Tage, wenn

  • die Beschwerden plötzlich beim Heben einer Last oder beim Sport begonnen haben.
  • die Schulterschmerzen sehr stark sind und/oder eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung besteht.

Die Erkrankung

PHS umfasst mehrere Krankheitsbilder, die sich sehr ähneln, wobei die Ursache in vielen Fällen ungeklärt bleibt. Gelegentlich tritt sie nach einer längeren Ruhigstellung des Schultergelenks auf, etwa bei Verletzungen oder schweren Entzündungen. Eine auffallende Häufung findet sich auch nach schweren Belastungen des Schultergelenks, z. B. nach jahrelangem Umgang mit Presslufthämmern oder berufsbedingtem Heben schwerer Lasten.

Das Schultergelenk ist eingebettet in die Rotatorenmanschette, einen kräftigen Mantel aus vier Muskeln und Sehnen, die den Arm im Gelenk drehen. Unter der Rotatorenmanschette liegt an der Vorderseite der Schulter die lange Bizepssehne; durch sie ist der Bizepsmuskel oberhalb der Schultergelenkspfanne am Schulterblatt befestigt. Teile der Rotatorenmanschette und die lange Bizepssehne ziehen durch eine anatomische Engstelle, die subacromiale Enge. Sie liegt zwischen dem Oberarmkopf und dem Schulterdach, bestehend aus der Schulterhöhe (Acromion), dem Rabenschnabelfortsatz des Schulterblatts und einem beide verbindenden Band. Außer den Sehnen liegt im subacromialen Raum als Puffer noch ein Schleimbeutel, die Bursa subacromialis. Bei manchen Menschen ist die Enge besonders schmal, weil die Spitze der Schulterhöhe relativ stark bogen- oder hakenförmig nach unten zeigt. Mit zunehmendem Alter geschieht es häufig, dass sich die Sehnen in der Engstelle des subacromialen Raums allmählich aufreiben. Gelegentlich klemmen sie sich sogar zwischen Oberarmkopf und Schulterdach ein, insbesondere beim Anheben und Abspreizen des Arms. Ärzte sprechen dann von einem Impingement-Syndrom (subacromiales Impingement).

Zum Krankheitsbild der PHS gehören auch Schwellungen und Entzündungen der Sehnen und des Sehnengleitgewebes, Schleimbeutelentzündungen (Bursitis subacromialis) sowie Reizzustände und Risse der Rotatorenmanschette (Rotatorenmanschettenruptur). Besonders häufig ist die Sehne des Supraspinatusmuskels betroffen, der das Dach der Rotatorenmanschette bildet. Sind die Sehnen stark geschädigt, reißen sie manchmal schon bei kleineren Belastungen, z. B. Hebearbeiten oder beim Sport.

Bei längerem Krankheitsverlauf mit wiederholten, entzündlichen Reaktionen bilden sich oft Verkalkungen (Kalkschulter, Bursitis calcarea, Tendinitis calcarea) und bindegewebige Verklebungen oder Verwachsungen der Schulterweichteile (Schulterfibrose). Sie schränken die Beweglichkeit der Schulter, die ohnehin durch die Schmerzen vermindert ist, zusätzlich ein. Am Ende steht manchmal die völlige Schultersteife.

Ein weiteres Krankheitsbild mit Versteifung der Schulter, das im engeren Sinn nicht zur PHS zählt, ist die adhäsive Kapsulitis oder frozen shoulder, bei der aus ungeklärter Ursache eine heftige Schultergelenkentzündung mit Beteiligung der Gelenkschleimhaut, der Gelenkkapsel und oft auch der langen Bizepssehne besteht. Die adhäsive Kapsulitis verläuft akuter als die vorgenannten Formen der PHS, ist jedoch weniger hartnäckig und heilt meist spontan nach einigen Monaten bis maximal zwei Jahren wieder aus.

Eine Sonderform der PHS stellt die Sportlerschulter (Werferschulter, Schwimmerschulter) dar. An ihr leiden in erster Linie Sportler, die wiederholten und vermehrten Überkopfbelastungen ausgesetzt sind. Das betrifft alle Wurfsportarten wie Volleyball und Handball, den Schwimmsport, aber auch Tennis, Badminton und Squash. Die einseitige Überkopfbeanspruchung der Schulter führt zu einem Ungleichgewicht der verschiedenen Muskelgruppen und zu Weichteilschäden. Der vordere und obere Kapselbandapparat wird überdehnt; der hintere Kapselbandapparat und die hintere Schultermuskulatur verkürzen sich. Dadurch kommt es häufig zu Abrissen der oberen Anteile der Schultergelenklippe, den SLAP-Läsionen. Diese Verletzungen führen wiederum zu einem Höhertreten des Oberarmkopfs. Das führt zu einer Einengung des Raums zwischen Schulterhöhe und Oberarmkopf und es kommt zum Impingement-Syndrom. Manchmal wird dabei der Schleimbeutel gereizt und entzündet sich (Bursitis subacromialis oben). Auch (Teil-)Rupturen der Rotatorenmanschette kommen vor.

Für viele Betroffene erschreckend, jedoch harmlos ist das Schulter(blatt)krachen. Die bewegungsabhängigen, knirschenden oder krachenden Geräusche entstehen durch ein Reiben zwischen Schulterblatt und Brustkorbmuskulatur. Eine seltene Ursache solcher Geräuschphänomene sind knöcherne Ausbuchtungen an der Unterseite des Schulterblatts. Bei häufigem Schulterkrachen entsteht unter dem Schulterblatt manchmal ein chronisch entzündeter Schleimbeutel, der eventuell Schmerzen verursacht. In diesem Fall helfen meist Wärmeanwendungen oder Reizstrom, in hartnäckigen Fällen auch Injektionen mit lokalen Betäubungsmitteln und Kortisonpräparaten. Treten keine Schmerzen auf, erübrigt sich eine Therapie.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Das Ertasten der Hauptschmerzpunkte, v. a. rund um die Schulterhöhe, bei Reizung der langen Bizepssehne manchmal auch an der Vorderseite des Schultergelenks, gibt dem Arzt erste Hinweise darauf, welche Strukturen der Schulter gereizt oder verletzt sind. Funktionstests zeigen meist eine Schmerzverstärkung beim Auswärts- oder Einwärtsdrehen und beim Heben und Abspreizen des Arms gegen Widerstand. Durch einen Ultraschall erkennt der Arzt krankhafte Veränderungen der Schulterweichteile wie Sehnenentzündungen oder Defekte der Rotatorenmanschette. Röntgenaufnahmen dienen dem Ausschluss knöcherner Verletzungen; außerdem machen sie mögliche Verkalkungen im Bereich der Sehnen oder der Schleimbeutel (Bursa subacromialis) sichtbar. Ein Hochstand des Oberarmkopfs im Röntgenbild gilt als indirektes Zeichen einer Schädigung der Rotatorenmanschette. Manchmal erfordert die genaue Abklärung der Beschwerden ein CT oder Kernspin der Schulter, bei Bedarf mit Injektion von Luft oder Kontrastmittel in das Schultergelenk als Arthro-CT bzw. Arthro-MRT; beide machen durch den Luft- oder Kontrastmittelaustritt ins umgebende Gewebe Risse und Verletzungen von Kapsel und Rotatorenmanschette sichtbar.

Konservative Behandlung. Basis der Behandlung ist bei der PHS ein regelmäßiges, behutsames Bewegen der Schulter unterhalb der Schmerzgrenze, wie es z. B. im Rahmen einer Schulterschule gelehrt wird. Forcierte Krankengymnastik und Massagen verstärken die Beschwerden eher als sie zu lindern.

Begleitend verordnet der Arzt meist Schmerzmittel mit entzündungshemmender Wirkung (NSAR). Zu einer raschen Schmerzlinderung führen auch Injektionen mit Lokalanästhetika (z. B. Lidocain) oder Kortisonpräparaten in den Schleimbeutel oder in das Sehnengleitgewebe. Als physikalische Therapiemaßnahmen haben sich bei akuten Schmerzen Kälteanwendungen bewährt, bei chronischen Beschwerden Anwendungen mit Wärme (Rotlicht, Fangopackungen, warme Bäder), darüber hinaus Reizstrom- und Ultraschallbehandlungen sowie TENS-Therapie (Nervenstimulation). Eine extrakorporale Stoßwellentherapie bringt etwa 60 % der kleinen Kalkablagerungen zum Verschwinden.

Operative Behandlung. Bei Versagen der konservativen Therapie besteht die Möglichkeit, die subacromiale Enge operativ zu beseitigen (Acromioplastik). Dabei entfernt der Arzt teilweise das Band zwischen Schulterhöhe und Rabenschnabelfortsatz sowie die Vorder- und Unterfläche der Schulterhöhe, meist im Rahmen einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie). Bei einer alleinigen Acromioplastik erlaubt der Arzt bereits nach einigen Tagen aktive Bewegungen und Belastungen der operierten Schulter.

Ein weiterer arthroskopischer Eingriff ist die Naht von kleineren Rissen der Rotatorenmanschette. Sinnvoll ist diese Maßnahme allerdings nur bei relativ frischen Rissen und bei jüngeren, körperlich aktiven Menschen. Nach einer Naht der Rotatorenmanschette lagert der Arzt die operierte Schulter auf einem Abspreizpolster. Gleichzeitig beginnen passive (geführte) Bewegungsübungen, um eine Versteifung der Schulter zu verhindern. Vier bis sechs Wochen später sind erste aktive Bewegungen möglich; voll belastbar ist die Naht nach zehn bis zwölf Wochen.

Wenn der Sehnenmantel bei älteren Menschen insgesamt verschlissen und ausgedünnt ist, hat sich die Naht eines Risses nicht bewährt. Hier ist es sinnvoller, den betroffenen Teil der Rotatorenmanschette durch einen Muskelstreifen zu ersetzen, der aus einem Rückenmuskel freigelegt wird. Als weiteres operatives Verfahren kommt bei Verklebungen und Verwachsungen eine Gelenkmobilisation in Betracht, um dem erkrankten Schultergelenk zumindest einen Teil seiner Beweglichkeit zurückzugeben – was jedoch nach längerem Krankheitsverlauf manchmal an der Verkümmerung der Schultermuskulatur scheitert.

Große Kalkablagerungen, die als langfristige Folge chronischer Reizungen entstehen, machen in seltenen Fällen eine Spülung erforderlich. Meistens lösen sie sich jedoch im Lauf einiger Monate von selbst auf, wenn der Betroffene konsequent schmerzauslösende Bewegungen vermeidet.

Behandlung der Sportlerschulter. Bei noch erträglichen Schmerzen helfen Dehnungsübungen im hinteren Schulterbereich sowie krankengymnastische Übungsbehandlungen. In schweren Fällen empfiehlt der Arzt eine Operation, z. B. eine Wiederherstellung der oberen Gelenklippe, eine Naht von Rotatorenmanschettenrissen und/oder eine Raffung von überdehnten Kapselbandanteilen.

Selbsthilfe und Vorsorge

Regelmäßige Bewegungsübungen der Schulter (Schulterschule) tragen dazu bei, wiederkehrende Schübe einer PHS hinauszuzögern oder zu verhindern. Als Prophylaxe der Sportlerschulter raten Sportmediziner beim Training zu einem bewussten, gleichmäßigen Aufbau der Schultermuskulatur sowie zu Dehnungsübungen der hinteren Kapselbandanteile und Muskelgruppen.

Wenn Beschwerden einer PHS akut auftreten oder sich plötzlich verschlechtern, hilft oft Kälte. Versuchen Sie es in diesem Fall z. B. mit Kühlpackungen oder feuchtkühlen Umschlägen. Chronische Beschwerden reagieren dagegen besser auf Wärme. Legen Sie sich im Bett z. B. ein Wärmekissen unter die Schulter, um die besonders quälenden, nächtlichen Schmerzen zu lindern.

Komplementärmedizin

Akupunktur, Homöopathie, Magnettherapie und Biofeedback sind häufig eingesetzte komplementärmedizinische Verfahren zur Behandlung von chronischen Schulterschmerzen; oft empfiehlt sich auch eine Kombination der Verfahren – welche am besten hilft, muss individuell ausprobiert werden.

Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson oder Yoga helfen erwiesenermaßen, besser mit chronischen Schmerzen umzugehen; gegebenenfalls bietet es sich an, mit einem Trainer spezielle Übungen zu erlernen, die die Schulter nicht belasten.