Entspannungsverfahren und Mind-Body-Therapien

Ziel aller – traditionellen wie modernen – Entspannungsverfahren (Entspannungstherapien) ist die Unterbrechung des Teufelskreises von negativem Stress (Dauerstress) und den dadurch ausgelösten Störungen des körperlichen und seelischen Gleichgewichts.

Bei jeder Art von Stresssituation werden bekanntermaßen die Stresshormone Adrenalin und Kortisol ausgeschüttet – dadurch erfährt unser Körper einen Energieschub, der uns hilft, mit der Situation fertig zu werden. Hält der Stress aber länger an, so richten die Stresshormone Schaden an. Einen solchen schädigenden Dauerstress stellen etwa chronische Krankheiten dar – die damit oft verbundenen Schmerzen, Sorgen und Ängste bringen uns aus dem Gleichgewicht und können die Krankheit verschlimmern.

Konsequenz für die Behandlung: Es reicht nicht aus, nur auf der Ebene der sichtbaren Erkrankung eine Behandlung anzusetzen. Vielmehr muss sie vor allem dort wirken, wo der Teufelskreis aus Dauerstress und gestörtem Gleichgewicht entsteht: im Gehirn.

Da Körper und Seele eine Einheit bilden, wurde bereits vor Jahrhunderten versucht, den Körper mit mentalen Techniken, Meditation und speziellen Bewegungsformen wie Tai Chi oder Qigong zu beeinflussen und zu heilen. Im modernen Sprachgebrauch wird zunehmend von Mind-Body-Therapien gesprochen – der Begriff weist dabei auf das grundlegende Prinzip hin: Die Entspannungsverfahren gehen von einer Einheit aus Körper und Geist aus. Indem diese Einheit angesprochen wird, wird der Teufelskreis aus Dauerstress und krankmachender körperlicher Folgen durchbrochen.

Manche der Mind-Body-Therapien betonen dabei mehr die körperliche Seite (etwa die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson); andere Verfahren, wie etwa Meditation oder Hypnose, suchen den „Einstieg“ eher über die Seele. Solche Mind-Body-Therapien überschneiden sich deshalb mit psychotherapeutischen Verfahren, siehe Psychotherapie. Gerade die Entspannungsverfahren aus der fernöstlichen Tradition setzen auf eine Veränderung der inneren Einstellung: Der Alltag soll durch Lernprozesse auf eine gesündere Art bewältigt werden – ein Konzept, das durchaus moderne verhaltenstherapeutische Ansätze enthält.

Die Wirksamkeit dieser Therapieformen ist für viele stressbedingte Erkrankungen belegt.

Welche Therapieform ist die richtige?

Nicht jeder findet dieselbe Therapieform, Situation, Vorstellung oder Übung entspannend. Der Weg zum „Loslassen“ ist individuell. Für manche führt der Weg zur Entspannung eher über den Körper, für andere ist es besser, wenn der Körper wie beim Autogenen Training über den Geist zur Ruhe kommt.

Betrachten Sie die Angebote deshalb mit einem suchenden, kritischen Blick! Es muss nicht immer eine ausgefeilte Technik in einem speziellen Mind-Body-Institut sein – einfache Techniken zum Stressabbau lassen sich leicht erlernen und in den Tagesablauf einbauen, siehe auch klassische Psychoanalyse. Wer allerdings noch keine Erfahrung mit Entspannungstechniken gesammelt hat, kann sich den Einstieg über einen Kurs oder eine professionelle Einführung erleichtern. So lassen sich auch typische Anfängerfehler, wie etwa die zu frühe Anwendung komplizierter Übungen, vermeiden.

Autogenes Training

Autogenes Training ist eine in den 1930er Jahren entwickelte Methode der konzentrativen Selbstentspannung. Durch an sich selbst gerichtete, immer gleiche Befehle (Autosuggestion), die der Anwendende nach einem festen Schema in monotoner Reihung wiederholt, werden äußere Reize ausgeblendet und das vegetative (unwillkürliche) Nervensystem beeinflusst. Dadurch werden die Gehirnaktivität nachweislich verändert, Stress abgebaut und Verkrampfungen gelöst.

Durchführung: Man sitzt entweder im Droschkenkutschersitz oder liegt entspannt auf dem Rücken. Durch bestimmte Vorstellungen („mein rechter Arm wird schwer“, „mein Bauch wird warm“) stellt sich nach und nach eine Entspannung der angedachten Körperteile ein, auch Herzschlag und Atmung können so reguliert werden.

Die Übungen sollten mehrfach täglich jeweils mindestens fünf Minuten lang durchgeführt werden. Wichtig ist am Ende die „Rücknahme“, insbesondere dann, wenn Übungen im Tagesverlauf durchgeführt und nicht als Einschlafhilfe genutzt werden. Hierbei spannt der Übende die Muskeln wieder bewusst an, atmet tief durch und öffnet erst dann die Augen.

Die Methode ist gut untersucht und vor allem bei Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, leichteren Depressionen, Tinnitus und anderen, durch Stress bedingten Erkrankungen, wirksam.

Wer mit Autogenem Training anfängt, beschäftigt sich zunächst mit der Ruhetönung und den sechs Grundbefehlen. Einigermaßen regelmäßig praktiziert, können mit ihnen sowohl das Bewusstsein als auch das vegetative Nervensystem wirksam beeinflusst werden. Daran anschließend kann der Übende je nach Bedarf und gewähltem Ziel individuelle Befehle einsetzen oder einzelne Übungen vertiefen.

Atemtherapie

Die Beeinflussung der Atmung ist Teil vieler Entspannungsverfahren (etwa Qigong, Yoga oder Eutonie). Zudem gibt es eine Vielzahl von Verfahren, die harmonisierende, ausgleichende oder auch bewusstseinsfördernde Wirkungen speziell über die Atmung erzielen wollen, etwa die Atem- und Leibtherapie nach Graf Dürckheim, das Intuitive Atmen nach Karl Scheereroder oder das integrative Atmen. Wo die einzelnen Formen ihre Vorteile und Einsatzgebiete haben, ist wegen der unterschiedlichen Ansätze schwer auszumachen.

Die Atemtherapie ist zudem Teil der modernen Physiotherapie, sie wird auf ärztliche Anordnung bei bettlägerigen Patienten zur Vorbeugung von Lungenentzündungen oder zur Schleimlösung eingesetzt.

Alexander-Technik

Die Alexander-Technik soll helfen, den Körper möglichst effizient zu nutzen und eine entspannte und freie Körperhaltung zu erlernen. Die Ende des 19. Jahrhunderts von Frederick Matthias Alexander entwickelte Methode geht davon aus, dass die äußere Haltung mit dem inneren Zustand des Menschen zusammenhängt und freiere Bewegungsabläufe auf die Psyche positiv rückwirken. Der Trainer analysiert zunächst Haltung und Bewegungsabläufe und lehrt dann mit aufgelegter Hand, wo Verspannungen entstehen und wie sie durch eine bessere Haltung und Bewegungstechnik gelöst werden können. Die Methode wird bei Bewegungseinschränkungen, chronischen Rückenschmerzen und vor allem bei der Parkinson-Krankheit mit Erfolg eingesetzt.

Eutonie

Diese von Gerda Alexander (1908–1994) entwickelte Methode hat mit der von F. M. Alexander entwickelten Alexander-Technik kaum etwas gemein. Im Mittelpunkt der Eutonie (griechisch „Wohlspannung“) steht das Erlernen des achtsamen Handelns: Die Abläufe des Körpers (Gewichtsempfindungen, Beweglichkeit einzelner Gelenke, Bewegungsabläufe) sollen durch bestimmte Übungen sowohl in Ruhe als auch in Bewegung erspürt werden. Die dadurch vermittelten, wohltuenden Bewegungserfahrungen sollen auf Körper und Seele ausgleichend wirken und dadurch nicht nur Störungen des Bewegungsapparats, sondern auch stressbedingte Belastungen heilen helfen.

Yoga

Die aus dem altindischen Medizinsystem Ayurveda stammende Grundidee des Yoga ist die, durch bestimmte Körperstellungen, die Asanas, die Energie im Körper auszugleichen und so eine leiblich-seelische Balance oder „Vereinigung“ zu erreichen. Das in den westlichen Ländern überwiegend praktizierte Hatha-Yoga kombiniert Körperhaltungen und Atemübungen. Es sollte zunächst in Gruppenkursen erlernt werden, kann aber dann zu Hause mit Büchern oder Videoaufnahmen fortgeführt werden. Durch möglichst langsam eingenommene Körperstellungen wird nicht nur eine konzentrierte Entspannung erreicht, sondern auch der Bewegungsapparat gedehnt, Verspannungen gelöst und die Durchblutung angeregt.

Yoga hat sich bei vielen stressbedingten Erkrankungen als begleitendes Verfahren bewährt. Auch bei chronischen Rückenschmerzen weisen wissenschaftliche Studien dem Yoga eine sehr gute Wirkung zu.

Neben dem „klassischen“ Hatha-Yoga wird heute eine Vielzahl von Varianten angeboten, wie etwa das in aufgeheizten Räumen durchgeführte Bikram-Yoga oder das auf schnelle Bewegungen aufbauende Power-Yoga.

Biofeedback

Diese in den späten 1960er Jahren entwickelte Methode baut darauf auf, dass normalerweise unbewusst ablaufende, körperliche Reaktionen auch über die Sinnesorgane erfasst werden können. Die sinnliche Wahrnehmung soll ermöglichen, die körperlichen Reaktionen willkürlich zu verändern. Dazu werden beim Biofeedback elektronische Messgeräte eingesetzt, die z. B. die Leitfähigkeit der Haut, Muskelspannung, Herzschlag oder sogar Hirnströme aufzeichnen und in ein sicht- oder hörbares Signal verwandeln.

Der Übende kann nun versuchen, durch bestimmte Entspannungstechniken das Signal (etwa ein Lichtzeichen oder einen Ton) bewusst zu verändern. Die beständige Rückmeldung (Feedback) zeigt dem Übenden an, ob er sich dem gewünschten Ziel nähert. Das Training wird von speziell geschulten Biofeedbacktrainern durchgeführt, und kann mithilfe von tragbaren Handapparaten auch zu Hause fortgeführt werden.

Angewendet wird das Verfahren zur Unterstützung von Entspannungstechniken, bei stressbedingten Erkrankungen, aber auch bei manchen organischen Leiden wie Blasenschwäche oder Migräne.

Eine Weiterentwicklung des Biofeedbacks für den Einsatz in der Schmerztherapie ist das EMG-Feedback.

Feldenkrais

Durch Feldenkrais, eine von Moshe Feldenkrais Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte Methode, sollen die eigenen Bewegungsabläufe bewusster wahrgenommen werden. Dies soll dem Übenden zum einen ermöglichen, sich harmonischer und wirksamer zu bewegen, Fehlhaltungen des Körpers zu vermeiden und das Körpergefühl insgesamt zu verbessern. Zum anderen aber sollen durch die Bewegungsübungen auch psychische Reaktionsmuster neu strukturiert und Gefühl und Denken verändert werden.

Feldenkrais ging davon aus, dass das Auftreten eines Menschen, sein Ausdruck, Haltung und Stimme auf dem inneren Bild beruhen, das er von sich selbst hat. Der Unterricht zielt auf das Einüben bewusster Bewegungsmuster. Zunächst wird der Übende dabei durch den Therapeuten geführt, später führt er die Übungen selbst, meist in einer Gruppe, durch.

Das Verfahren hat sich zum Stressabbau, bei Nacken- und Rückenschmerzen, aber auch bei Haltungsschäden sowie bei orthopädischen und neurologischen Erkrankungen bewährt.

Progressive Muskelentspannung

Anfang des 20. Jahrhunderts vom amerikanischen Internisten Edmund Jacobson entwickelt, lassen sich Muskelanspannungen mit der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson (Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, PMR) erkennen und lösen. Dazu werden – meist im entspannten Liegen – bestimmte Muskelgruppen angespannt und möglichst rasch wieder gelockert. Dieser Wechsel soll möglichst bewusst wahrgenommen werden, um so eine fortschreitende Entspannung im ganzen Körper zu erreichen. Die Übungen können in Gruppen leicht erlernt und dann aus Büchern und von Videoaufnahmen auch zu Hause angewendet werden. Bewährt haben sie sich bei stressbedingten oder durch Stress verstärkten Erkrankungen, Schlafstörungen und Schmerzleiden.

Meditation

Meditative Übungen sind aus allen Kulturkreisen beschrieben, man kann die Meditation deshalb zu Recht als einen universellen Einstieg zu innerer Ruhe, Vertiefung, spiritueller Aufnahmefähigkeit und Entspannung bezeichnen. In Deutschland sind derzeit vor allem die fernöstlichen Techniken der Zen-Meditation, die transzendentale Meditation und die in das Yoga eingebetteten Meditationsformen populär. Meditation kann bei vielen stressbedingten und funktionellen Störungen ausgleichend helfen.

Hypnose

Hypnose ist eine Methode zur Tiefenentspannung, der Geist bleibt dabei entgegen volkstümlicher Annahme wach, ist aber für Suggestionen offen („entspannte Wachsamkeit“). Wie Hypnose genau funktioniert, ist unbekannt. Etwa drei Viertel der Erwachsenen können hypnotisiert werden, bei einem Viertel funktioniert die Methode nicht. Näheres zur Hypnose.

Hypnose wird zum einen als so genannte Hypnotherapie von Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten angewendet, die Ausbildung ist hier umfassend und genau festgelegt. Zum anderen bieten viele Heilpraktikerschulen Hypnosekurse unterschiedlicher Intensität an.

Die Hypnotherapie hat sich bei vielen psychischen Störungen wie Angststörungen und Phobien, aber auch bei psychisch beeinflussten Erkrankungen wie Reizdarm und Tinnitus sowie chronischen Schmerzen und manchen Suchterkrankungen (nicht aber zur Nikotinentwöhnung) bewährt. Über die Wirkung der außerhalb der ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung angebotenen Hypnose ist wenig bekannt.

Fernöstliche Entspannungsverfahren

Neben dem Yoga lassen sich weitere, ursprünglich meist in spirituellen Traditionen verwurzelte, fernöstliche Entspannungsverfahren nutzen:

  • Qigong (Chi Gong, Qi Gong): Traditionelle chinesische Meditations- und Therapieform, bei der durch Bewegungsübungen ein Stau der Lebensenergie Qi vermieden und aufgelöst werden soll. Dazu werden nach überlieferten Mustern langsame Bewegungs-, Konzentrations- und Atemübungen durchgeführt.
  • Tai Chi: Im 19. Jahrhundert aus altchinesischen Vorläufern entwickelte Form extrem langsamer, ineinanderfließender meditativer Bewegungen. Dieses „Schattenboxen“ stilisiert den Kampf mit einem imaginären Gegner und soll ebenfalls die Lebensenergie Qi lenken und harmonisieren.
  • Feng Shui: Entspannung und Harmonie soll in dieser chinesischen Form der Lebenskunst durch gesunde Lebensraumgestaltung bzw. gesundes Wohnen erreicht werden. Wohnungen, Häuser und Arbeitsplätze sollen so zur Quelle der Energie und des Wohlbefindens werden.